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Brief aus einer kleinen Stadt im Nordosten der Ukraine:

Ich danke für Ihren Brief und besonders für Ihre Sorge um uns. Danke für Ihre Gebete.
Die Revolution in der Ukraine hat uns persönlich praktisch nicht berührt. In unseren kleinen Städtchen gab es kein Blut und keine Kämpfe. Es gab ein paar friedliche Versammlungen, jemand hat das Lenindenkmal mit Farbe übergossen. Und das war alles, was wir hier erlebt haben.
Aber in Kiew sind wirklich Menschen umgekommen. In unseren Kirchen haben alle sehr viel für die politische Lage in der Ukraine gebetet.
Durch Gottes Gnade begann die Stabilisierung unseres Landes, das Blutvergießen hörte auf, eine neue Regierung wurde aufgestellt. Wir atmeten erleichtert auf.
Aber heute sind wir wieder in Angst. Russland entfesselt einen Krieg mit der Ukraine. Russische Truppen sind schon auf der Krim. Wir wohnen an der Grenze zu Russland, wie es weitergeht, wissen wir nicht. Möglicherweise wird es sehr viel Blut geben. Als Menschen haben wir Angst. Als Christen hoffen wir auf Gott. Manchmal siegt die Angst, manchmal die Hoffnung.
Betet für uns. Wir glauben, dass diese Welt nicht von Putin, nicht von Obama und nicht vom Satan regiert wird, sondern von Gott. Auch die Situation in unserem Land ist in Seinen Händen.
Mein Herz ist mit Dankbarkeit erfüllt dafür, dass Sie, die Sie in Deutschland wohnen, Gutes tun wollen für unsere Leute. Vieles haben Sie schon getan. Dafür sind wir Ihnen von Herzen dankbar.
Jetzt ist es unsere große Bitte: Betet für die Ukraine.

Wir sind sehr dankbar, dass Sie an uns denken und für uns beten.
Ja, die Ukraine, dieses schöne, reiche, intellektuelle, eigentlich europäische Land, wurde von einer schweren Zeit überrollt – des Streites unter Brüdern, des Kampfes mit der Tyrannei, der Täuschung des Volkes, der ökonomischen Stagnation, der psychologischen Erschütterung der meisten Ukrainer.

Sie haben in Ihren Massenmedien nur einen kleinen Teil des Alptraums gesehen, den sie uns hier auf allen Kanälen pausenlos und rund um die Uhr zeigen.

Das sind brennende Autoreifen im Zentrum von Kiew, Barrikaden, wo die einen jungen Ukrainer die anderen jungen Ukrainer zu Krüppeln schlugen und töteten. Es sind Jungs umgekommen, die versuchten, mit ihren leichten Schilden sich vor den Kugeln der professionellen Scharfschützen zu schützen. Es gibt keine Vergebung für die Szenaristen dieses Scharmützels.

Tatsächlich haben sich Hunderttausende Menschen im Zentrum von Kiew versammelt. Sie halfen den Demonstranten mit allem Notwendigen: mit Lebensmitteln, Medikamenten, mit Geld. Auf dem Maidan gab es ein richtiges Feldlazarett.

Das ganze Land klebte an den Fernsehern. Niemand konnte sich vorstellen, das so etwas in der Ukraine geschehen könnte.

Aber es geschah. Und zusätzlich beginnen jetzt Versuche der Militärinvasion aus Russland. Das ist eine hinterhältige und in unserer Zeit einfach unsinnige Aktion, unfassbar auf dem europäischen Kontinent. Es wird der Versuch unternommen, die Ukraine in drei Teile zu teilen, wie man es schon in Jugoslawien und in anderen Ländern tat.

Auch in Charkow gibt es Zusammenstöße, es gibt schon Verletzte und Tote, aber im Großen und Ganzen ist die Situation in unserer Stadt relativ stabil.

Wir können nicht sagen, wie die Entwicklung der Situation in der Ukraine weitergeht. Es gibt viele Möglichkeiten bis hin zu den am wenigsten vorhersagbaren Varianten. Irgendjemand hetzt die slawischen Völker wegen seiner finanziellen Interessen aufeinander.

Aber wir leben mit der Hoffnung, dass das Blutvergießen ein Ende findet, dass ein Machtsystem aufgestellt wird, das sein Land, sein Volk achtet. Das die, die jetzt die neue Ukraine bilden, weise genug dazu sind. Dass die jetzigen Ereignisse das Volk der Ukraine einigen und stärken, unabhängig davon, wo wer lebt – im Osten, Westen oder Süden des Landes. Dass die Aggression verschwindet, die Gemeinheit der Provokationen, dass Radikale und Banditen befriedet werden, das Betrüger und Abenteurer nicht die Gunst der Stunde gegen die Interessen des Volkes nutzen.

Sie fragen, was Sie den Leuten antworten sollen, die fragen, wie es hier geht? Leider ist das sehr unklar. Aber die überwältigende Zahl der Leute will, dass die Ukraine eins bleibt. Und viele sind in dieser Zeit zu größeren Patrioten geworden, als sie es früher waren. Ich denke, was jetzt hier vor sich geht, bringt die Ukraine Europa mit seinen Kulturwerten näher.

Es ist jetzt eine Zeit der Zunahme der Aggressionen in der Welt. Aber es ist eins, wenn man das aus tausend Kilometer Entfernung im Fernsehen sieht, und etwas ganz anderes, wenn es in der Straße nebenan im eigenen Land passiert. Es ist eine große menschliche Katastrophe, für viele ein großes psychologisches Trauma.

Wir können jetzt einfach nicht verstehen, wie das alles für die Ukraine enden wird. Wer spielt die ukrainischen Karte? Wird er verlieren – oder die Ukraine und Europa? Wir leben in ständiger Anspannung – und natürlich in der Hoffnung auf Besseres.

Wir schätzen Ihren Wunsch, den Menschen in der Ukraine zu helfen, sehr hoch. Aber ich denke, es ist jetzt so schwierig, dass das praktisch unmöglich ist. * Wie man uns erzählt hat, konnte eine humanitäre Hilfe, die zu der Zeit des Konfliktes und Blutvergießens in Kiew aus Polen kam, nur mit sehr großen Schwierigkeiten die bürokratischen und andere Hürden überwinden. Wir haben nicht einmal erfahren, ob sie tatsächlich zu den Demonstranten durchgedrungen ist?! Ja, Ihnen ist das ja gut bekannt. Wenn sich das ändert, werde ich es Ihnen gern mitteilen.

Kriege und Umstürze haben immer die einfachen Leute ärmer und schutzloser gemacht.

Immer denke ich mit großer menschlichen Wärme an Sie. Mögen solche Ereignisse Sie niemals treffen. In uns haben Sie immer Freunde in der Ukraine, die Sie achten und lieben.

(Chefarzt)

*Anmerkung der Übersetzerin und Vereinsvorsitzenden:
Auf den Maidan etwas zu schicken, ist sicher sehr schwierig. Es ist aber möglich, an unsere Partner Hilfsgüter zu schicken. Die Hilfsgüter werden nicht sofort in Gebrauch genommen werden können - aber nach der Entzollung kommt es Menschen zugute, die diese Hilfe jetzt dringender denn je brauchen.
Drei Transporte haben wir in diesem Jahr bereits geschickt, der nächste wird gerade vorbereitet.